Immer die gleichen Straßen 2….

Immer die gleichen Straßen. Immer die gleichen Straßen und wenn man traurig ist und die Füße vom Gehen wund, der Kopf gesenkt, dann sieht man Grashalme sprießen in den Rissen des Troittoirs und müdes Laub am Wegesrand. Und hebt man den Blick dann sieht man manchmal hohe Pappeln. Etwa wenn man den Donaukanal über die Franzensbrücke überquert und dann gen Osten in die hereinbrechende Nacht schaut, während auf der anderen Seite sich die letzten Sonnenstrahlen in den Dächern der Innenstadt verfangen. Und die gleichen Straßen, wenn auch viel kleinere Häuser in meiner Heimatstadt P. Die niedrigen Häuser dort scheinen sich hinter den Bäumen zu verstecken. Auf unsrisch heißt Birke BREZA. Sie wächst vor umserem Haus auf der Ulica-Vuk-Karadžića 31. Die BREZA erkennt jedes Kind an der weißen Rinde, sagte mir meine Großmutter. Eines Morgens im verschneiten Frühling 92 wollte mich mein Vater zur Schule fahren und als er dabei war das Eis von der Autoscheibe wegzukratzen, sprach ihn ein Nachbar an:

„Gestern in der Sitzung, haben Sie gesagt Du wirst eingeperrt wenn es hier in P. Zum Krieg kommt. Manche wollen Dich auch aufhängen am Marschall-Tito-Platz.“

Beide schwiegen und tauschten Blicke. Mir fiel es schwer zu atmen.

„Wem habe ich etwas getan?“

„Ich sage es Dir nur, weil ich korrekt zu Dir bin, weil Du meine Mutter damals behandelt hast“

Im Auto später strich mir Vater über die Wange und sagte, dass es nicht zu einem Krieg kommen wird:

„Lord Carrington ist aus England gekommen und verhandelt mit unseren Politikern. Die Moslems und Serben bekommen jetzt Kantone, wie die Schweiz und brauchen nicht miteinander Krieg zu führen.“

Ich kann freier atmen, wenn ich den Donaukanal entlanggehe und dort ist der Himmel, wenn auch mit Wolken verdeckt und da sind Pappeln, wenn auch bar ihres Grüns im Winter. Immer die gleichen Straßen. Immer die gleichen Gedanken, wenn man traurig ist und die Füße, vom Gehen wund.


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